Focusing – das Vertrauen in die eigene Wahrnehmung fördern

Gestern Abend habe ich im Hospitalhof Stuttgart ein Kompaktseminar mit Dr. Rainer Eggebrecht, Gesprächs- und Focusingtherapeut, Leiter des Instituts für Gesprächs- und Focusingtherapie (igf), besucht.

Was ist Focusing?

Wikipedia: „Focusing beschreibt den Kernprozess und die Fähigkeit zu persönlicher Entwicklung und Veränderung.“
Auf der Website des igf finde ich über Focusing:
„Focusing schult die Wahrnehmung, indem es die Aufmerksamkeit auf die unmittelbar gegenwärtige Erfahrung richtet und Sie durch klar erlernbare Schritte in Berührung bringt mit dem, was Sie hinter all Ihren Konzepten in Ihrem Inneren wirklich fühlen und empfinden. Die Schulung der intuitiven Wahrnehmung fördert dabei neue, frische und stimmige Schritte im Denken, Fühlen und Handeln.
Focusing wurde durch Prof. Dr. Eugene Gendlin – dem Nachfolger von Carl Rogers (Gesprächstherapie) – begründet. …
Focusing vermittelt Ihnen kreative Impulse zu mehr Freude und Lebendigkeit im eigenen Dasein. …“

Intuitive Wahrnehmung

In der Ausschreibung hat mich auch die Beschreibung „die intuitive Wahrnehmung schulen“ angesprochen. Das ist etwas für mich!

Ich habe meine Notizen von gestern neben mir liegen und schau mal, was ich wiedergeben kann. –
Ich habe erfahren, dass der Intellekt mit seinem Norm- und Leistungsdenken mir im Weg stehen kann, wenn es darum geht, dass ich mich mir zuwende. Ich bemerke eine Regung, eine Stimmung, ein Gefühl und schon ist da eine Bewertung, die der offenen Wahrnehmung einen Riegel vorschiebt. Focusing meint eine bestimmte Art mit sich selbst umzugehen: eine lebendige achtsame Eigenwahrnehmung ohne Wertung. Auch das Wort „Wahrnehmungspräzisierung“ habe ich notiert. Ein langes, kompliziert klingendes Wort, aber passend.

Im ersten Schritt „Thema finden“ geht es darum, Freiraum zu schaffen für das Erleben, das Spüren, die tiefer liegende Befindlichkeit. Oft ist man zu nah dran, um es erkennen zu können. Also sollte ich einen gewissen inneren Abstand finden zum Thema, das Thema quasi vor mich hinstellen.
Im zweiten Schritt „Felt sense“ nehme ich Bezug zum Thema. Es geht um die gefühlte Bedeutung. Was taucht auf? (Körperempfindung, Gefühl, Gedanken, Bilder, Ich verweile, ohne zu bewerten. Alles, was auftaucht, hat einen Sinn.
Dann kommt „Felt shift“, eine gespürte Veränderung, so ein „Ach, jetzt hab ich´s“. Es ist ein ursprüngliches, ganzheitliches Wahrnehmen. Was aus mir kommt, kann nicht „falsch“ sein. Ich begegne dem mit unbedingter Wertschätzung. Der vierte Schritt ist „Integration“. Das, was da ist, annehmen und schützen.

Aufmerksamkeitsqualität beim Focusing

Bei Wikipedia finde ich dazu:
„Focusing übt eine hohe Qualität von Aufmerksamkeit dem eigenen Erleben gegenüber …
Aufmerksamkeit, die die Formung und Entwicklung eines Felt Sense unterstützt, ist
– akzeptierend bzw. nicht-bewertend
– freundlich, zugewandt, interessiert
– nicht-wissend bzw. fokussiert auf das noch nicht Bekannte
– langsamer als normal bzw. abwartend und geduldig
– nicht zielführend bzw. ohne Agenda“

Und zum Felt Sense: „Zentral für Focusing ist die Orientierung an dem bedeutungshaltigen, direkten Erleben – dem Felt Sense – innerhalb einer gegebenen Situation, Interaktion, eines Problems oder Themas.“

Was mir im Vortrag noch sehr gut gefallen hat, war die Aussage: Es gibt keine objektive Vergangenheit. Wir konstruieren die Wirklichkeit. Mit Dankbarkeit in die Vergangenheit schauen; mit Zuversicht in die Zukunft schauen. In der Gegenwart reichen sich Vergangenheit und Zukunft die Hand. Wenn wir eine hohe Akzeptanz der Vergangenheit erreichen, können wir auch aus einer Leiderfahrung etwas Gutes machen.

Buchempfehlungen des Referenten zum Thema Focusing

Focusing – Der Stimme des Körpers folgen, Anleitungen und Übungen zur Selbsterfahrung, Ann Weiser Cornell

Focusing: Selbsthilfe bei der Lösung persönlicher Probleme, Eugene Gendlin

Ulrike Hensel

hat Angewandte Sprachwissenschaft studiert und sich ihr Leben lang für Kommunikation, Psychologie und Persönlichkeitsentwicklung interessiert. Seit 2010 ist sie als Coach für hochsensible Erwachsene tätig. In ihren Coachings und Gesprächsgruppen unterstützt sie Hochsensible darin, sich in ihrer hochsensiblen Wesensart anzunehmen und ihr privates und berufliches Leben im Einklang damit zu gestalten. Als Autorin möchte sie Erkenntnisse ermöglichen, ermutigen und inspirieren. Sie hat mittlerweile vier Bücher über Hochsensibilität beim Junfermann-Verlag geschrieben. Das Thema Hochsensibilität behandelt sie sachlich und neutral, verknüpft es vor allem mit dem der Kommunikation.

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